Wer verfasst schon gerne Anschreiben? Selbst eloquente Menschen sind mitunter sprachlos, wenn sie schriftlich darlegen sollen, weshalb sie die Richtigen für eine bestimmte Stelle sind. Da erscheint es verlockend, das Schreiben den fähigen Händen von ChatGPT anzuvertrauen. Doch ist das wirklich eine gute Idee – und ist es überhaupt erlaubt?
Juristisch gesehen ist es kein Betrug, KI-generierte Anschreiben einzureichen.
Denn Bewerber sind nicht verpflichtet, ihre Anschreiben eigenständig zu verfassen – außer, der Arbeitgeber wünscht dies ausdrücklich. Sie können das Schreiben also getrost einem Ghostwriter, der sprachgewandten Freundin oder einem Chatbot überlassen. Rechtliche Probleme drohen höchstens aus anderen Gründen, dann nämlich, wenn der Chatbot-generierte Text fehlerhafte Daten enthält. Denn wer in seinen Bewerbungsunterlagen falsche Angaben zu seinen Qualifikationen macht und ertappt wird, riskiert eine Kündigung. Daher raten wir dringend zu einem Faktencheck.
Wie gut sind Anschreiben aus der „Feder“ von ChatGPT?
Wir haben ChatGPT gebeten, ein Bewerbungsschreiben für die Stelle eines Redakteurs zu verfassen. Der Text erscheint professionell und gut strukturiert. Auch in puncto Grammatik und Rechtschreibung ist er tadellos, ein Pluspunkt, der nicht für alle KI-generierten Texte gilt.
Doch einen Job als Redakteur:in oder Copywriter:in würde man mit diesem Schreiben sicher nicht ergattern, denn statt eines kreativen Feuerwerks enthält es reichlich generische Formulierungen. Vor allem der Einstiegssatz wimmelt vor Floskeln:
„Sehr geehrte Damen und Herren, mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung für die Position als Redakteur gelesen und bewerbe mich hiermit um diese spannende Herausforderung in Ihrem Unternehmen.“
Selbst wenn jemand eine Stelle anstrebt, die kaum Text-Skills erfordert: Standardformulierungen wie diese werden kaum das Interesse eines Personalers wecken.
Es gibt sogar Personalabteilungen, die allzu generisch wirkende Texte von vorneherein aussortieren. Das hat einen ganz einfachen Hintergrund: Solche Texte sind zu oberflächlich und zu unpersönlich, um ihren Zweck zu erfüllen. Schließlich soll ein Anschreiben dabei helfen, den Bewerber oder die Bewerberin besser kennenzulernen. Zudem wollen die Personalverantwortlichen herausfinden, warum sich diese:r für die Stelle bewirbt – und sichergehen, dass dem Kandidaten die Sache ernst genug ist, um einen persönlichen Text zu verfassen.
Wer einen potenziellen Arbeitgeber von sich begeistern will, sollte sich also weder auf einen angepassten Mustertext noch auf ein Chatbot-generiertes Schreiben verlassen.
Dennoch kann ChatGPT Bewerberinnen und Bewerbern zu einem guten Anschreiben verhelfen.
Mit diesen Tipps erzielst du das optimale Ergebnis:
- Schreibe den Einstieg selbst. Er sollte originell und überraschend sein. Möglicherweise brauchst du dafür mehr Zeit als für alle anderen Textabschnitte zusammen, doch die Investition lohnt sich. Denn der Einstieg ist die wichtigste Passage des ganzen Schreibens. Mit ihm kannst du deinen Leser:innen einen ersten Eindruck von deiner Person vermitteln und sie neugierig auf deine Bewerbung machen. Falls nötig, kannst du die Einstiegssätze später mit AI-generierten Formulierungen verfeinern.
- Wenn du unsicher bist, wie du dein Anschreiben strukturieren solltest, orientiere dich ruhig am KI-generierten Text. Aber übernimm nicht einfach größere Textpassagen – und meide Floskeln und Standardformulierungen.
- Allgemein gilt: Die Vorschläge des Chatbots fallen umso besser aus, je präziser du nachfragst und je reichhaltiger die Angaben sind, die du ihm fütterst.
- Arbeite im Dialog mit dem Chatbot.
- Du kannst deine Vorgaben beständig nachschärfen. Der Formulierungsvorschlag von ChatGPT erscheint dir zu formell? Dann frag nach einer moderneren oder kreativeren Formulierung.
- ChatGPT kann dir nicht nur Formulierungsvorschläge machen, sondern auch wegweisende Fragen stellen, beispielsweise zu deiner Motivation für die Bewerbung und deiner Qualifikation für die Position. So hilft dir der Bot dabei, alle wichtigen Aspekte zu erwähnen.
- Verleihe dem Anschreiben eine persönliche Note, die sich durch den ganzen Text zieht und ihn unverwechselbar macht. Achte aber darauf, dass du stets einen professionellen Eindruck hinterlässt.
- Übrigens: Wenn du in Sachen Rechtschreibung und Grammatik mal unsicher bist, kannst du ChatGPT auch nutzen, um deinen Text überprüfen zu lassen.
ChatGPT und seine Brüder sind also durchaus hilfreich, wenn du ein überzeugendes Anschreiben verfassen möchtest – und sie klug einsetzt. Die optimale Stelle verschaffen sie dir allerdings nicht. Das ist immer noch unser Spezialgebiet.