Wann man gehen oder bleiben sollte.
Vielleicht gehöre ich zu einer aussterbenden Spezies. Ich glaube an Werte wie Loyalität, Dankbarkeit, Respekt und ein partnerschaftliches Miteinander. In einer Zeit, in der alles immer schnelllebiger und unverbindlicher wird, wo Menschen lieber Nachrichten im Messenger versenden anstatt zu reden und Beziehungen, Freundschaften oder Beschäftigungsverhältnisse wie Socken austauschen, glaube ich, dass Vertrauen und gegenseitige Verlässlichkeit unbezahlbar sind. Und ein entscheidender Aspekt für unser persönliches Glück das „Ankommen“ ist: im Job, in der Liebe, zu Hause. Deshalb glaube ich, dass wir uns mehr Gedanken über die Lösungen als über Probleme machen sollten und lieber Stabilität suchen, als immer wieder aufzugeben und von vorn anzufangen.
Es gibt Studien, die sagen, dass sich zwei Drittel aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen nicht optimal eingesetzt und gefördert fühlen und gar jeder Dritte direkt wechselwillig oder auf Jobsuche ist. Nun, ich persönlich glaube nicht, dass unsere Arbeitswelt so schlecht ist, wie es diese Zahlen widerspiegeln. Was natürlich nichts an der Tatsache dieser, oft emotional geprägten, Unzufriedenheit ändert. Die Gründe für diese Situation sind sicher vielschichtig und die Stellschrauben für kollektive und individuelle Lösungen ebenso vielseitig. Für mich als Unternehmer ist es gut zu wissen, dass es ausreichend Möglichkeiten gibt, die Fluktuation auf einem Niveau zu halten, wie es für das Unternehmen und seine Entwicklung gesund ist. Es gibt auch für ein Unternehmen ausreichend Gründe, insbesondere für seine Leistungsorientierung, Fluktuation zuzulassen oder gar zu provozieren.
Reif für einen Wechsel?
Unabhängig davon oder eben gerade in diesem Zusammenhang gibt es natürlich auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Situationen, wo es besser ist, dem „Schrecken“ ein Ende zu setzen. Dort, wo es auf Dauer nicht harmoniert, Sie sich als Arbeitnehmer in Ihrer Rolle nicht wohl fühlen, nicht entwickeln können oder gar unglücklich sind. Im Job ist dann die Zeit reif, über einen Wechsel nachzudenken. Was aber sind objektive Kriterien und Anzeichen, dass der Moment gekommen ist, sich über einen Jobwechsel Gedanken zu machen?
Zunächst einmal ist diese Entscheidung ganz individuell und abhängig von den persönlichen Präferenzen. Wo für den einen die Entgelt-Perspektive entscheidend ist, da ist es für den anderen die Work-Life-Balance und wo der eine Sicherheit sucht, da sucht der andere die schnelle Karriere. Ich denke, frei nach Paracelsus, die Dosis machts, das Zusammenspiel von vielen Dingen, was in seiner Perfektion zu Harmonie und Glück, auch im Job, führen kann.
Die Mehrzahl der Studien zur Arbeitnehmerzufriedenheit sagt, dass folgende Kriterien über das Glück und Zufriedenheit im Job entscheiden:
- Wertschätzung und ein respektvoller Umgang miteinander
- Interessante Tätigkeit, Freiräume, Möglichkeit zur Entfaltung
- Gutes Betriebsklima, gute Beziehungen zu Kollegen
- Entwicklungsperspektive, Karrierechancen
- Offene Unternehmenskultur
- Anerkennung für die geleistete Arbeit
- Work-Life-Balance
- Angemessene Arbeitsausstattung
- Gerechte Vergütung
Im Umkehrschluss müsste dies bedeuten, dass eine fehlende Wertschätzung oder wenig Freiraum und die falschen Kollegen zu einem schnelleren Jobwechsel führen. Dies ist jedoch nicht so. Erstaunlich ist, dass die Hauptmotivation für einen Jobwechsel eine bessere Bezahlung ist. Erst dann folgen die fehlende Wertschätzung und ein schlechtes Arbeitsklima. Daneben spielen insbesondere die Arbeitszeit oder Probleme mit dem Vorgesetzten eine Rolle.
In 10 Punkten die eigene Situation analysieren
Wie können Sie nun für sich ganz individuell feststellen, ob die Zeit reif für einen Jobwechsel ist? Hier empfiehlt es sich, seine ganz persönliche Prioritäten-Liste zu erstellen. Notieren Sie sich, welche Punkte Ihnen am wichtigsten sind, maximal 10. Dann beantworten Sie sich die Frage, ob Ihr aktueller Job diese Kriterien erfüllen kann. Beantworten Sie diese Frage zu jedem Kriterium mit „Ja“ oder „Nein“. Dann fragen Sie sich, ob es für jedes „Nein“ eine Lösung gibt. Können Sie selbst etwas ändern oder könnten Sie mit Ihrem Vorgesetzten darüber sprechen? Wenn ja, dann tun Sie es. Wiederholen Sie diese Analyse nach einer angemessenen Zeit, vielleicht in sechs Monaten und schauen Sie, ob sich die objektive Zufriedenheit in Ihrem Job verändert hat. Falls Sie nicht zufriedener sind oder falls gar Ihre Unzufriedenheit gewachsen ist, dann ist die Zeit gekommen, den Job zu wechseln.
Leider wird in den meisten Studien nicht danach gefragt, es wird vorausgesetzt. Jedoch die wichtigste aller Fragen ist, ob Sie überhaupt im richtigen Job sind. Wenn Sie im falschen Job sind, beispielsweise im Vertrieb, sich aber unwohl dabei fühlen, anderen Menschen etwas zu verkaufen oder in der Buchhaltung arbeiten und keinen Spaß an Zahlen haben, dann hilft alle Analyse und auch der zehnte Jobwechsel nichts. Dann müssen Sie Ihre Jobwahl überdenken und bestenfalls ganz neu beginnen. Ich denke, dass kann man zu jeder Zeit riskieren, für das eigene Glück. Denn dafür sollte es nie zu spät sein.
Frühestens nach zwei Jahren wechseln
Auf der Arbeitgeberseite spielt es heute bei der Beurteilung eines Bewerbers nicht die große Rolle, ob Sie eher wenige oder eher viele Jobwechsel in Ihrem Lebenslauf haben, sofern es nicht den Anschein hat, dass Sie in keinem Job zurecht gekommen sind. Die Regel, frühestens nach zwei Jahren zu wechseln, ist immer noch ein guter Tipp. Ein guter Tipp ist auch, dass eine längerfristige und kontinuierliche Entwicklung in einem Unternehmen letztendlich nicht selten zu einem höheren Einkommen führt, als kurzfristige Gehaltsprünge durch mehrere Jobwechsel. Prüfen Sie vor einer Veränderung aus Gründen einer besseren Bezahlung, wie die Perspektiven bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber sind. Trauen Sie sich zu fragen, denn in vielen Fällen führt dies zu dem gleichen oder ähnlichen Entgelt, wie es vielleicht der Jobwechsel ermöglicht. Denn der Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber ist in der Regel mit einem größeren Aufwand und einem höheren Risiko verbunden.
Zu guter Letzt sei noch angemerkt, dass jüngere Beschäftigte eher zur Unzufriedenheit im Job neigen und ältere Mitarbeiter eher zufrieden sind. Die Zufriedenheit im Job korreliert mit dem Alter und erreicht ihren Höhepunkt aktuell mit 55 Jahren. Vielleicht sollten wir am Ende, hier oder da, doch mehr der Lebenserfahrung vertrauen und eben eher nach Lösungen als Problemen Ausschau halten. Denn andere Studien besagen, dass ältere Menschen auch glücklichere Menschen sind. Vielleicht gehört die eigene Lebenserfahrung und das Ausprobieren aber auch einfach zur eigenen Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit dazu. Welcher Weg der richtige ist, das möge jeder selbst für sich abwägen und entscheiden.